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Kapitel 3, Lektion 2: 2 Oktaven, Solm.Tabelle

"Stufen erkennen" Bausteine mit zwei verschiedenen Fingersätzen

Seit einer Woche spielen Sie die Bausteine zum Stufen-erkennen. Wahrscheinlich im "Dur"-Fingersatz.
Probieren Sie es mal im "Moll"-Fingersatz. Wir wollen dabei keinen Tonartwechsel. Das do liegt bei beiden Fingersätzen also im gleichen Bund!
Für den Moll Fingersatz rutscht die Greifhand zwei Bünde tiefer.

Merken Sie was: Der Moll-Fingersatz kommt unseren Bausteinen sehr entgegen.
Spielen Sie im Dur Fingersatz den la- und ti- Baustein hoch. ti do' und la ti do'. Im Moll-Fingersatz tief: ti, do und la, ti, do

BeispielMollDur
fa mi re doKleinfinger - Ringfinger - Zeigefinger - Kleinfinger

Mittel - Zeige - Klein - Mittelfinger

Auch mal ausprobieren:

Fingersatz auswählen, alle Bausteine spielen.
Das "hohe" do ist das neue "tiefe" do (in Moll: la). Sie spielen alle Bausteine eine Oktave höher.
Beachten Sie den Versatz im Griffbild ab Saite 2!

Zum YouTube-Video "3.02 Fingersätze über 2 Oktaven"

Theorie: Was passiert im Gehirn wenn wir solmisieren?

Heute wird's theoretisch. Es wird Ihnen aber vielleicht helfen, zu verstehen, wie die Solmisation funktioniert und warum wir momentan jeden Tag singen tun, sollen ... und hoffentlich wollen. 

Wie bereits mehrfach angekündigt nehme ich heute Bezug auf das Video von Prof. Dr. Manfred Spitzer
zum YouTube-Video "Wie lernen Kinder? Neues aus der Gehirnforschung"

Wir haben jetzt bereits zwei Wochen solmisiert und dabei ...

  • Bausteine (nach)gesungen
  • bekannte Kinder- und Volkslieder (nach)gesungen

An dem (nach)gesungen sehen Sie bereits, wir haben bisher wenig "frei" solmisiert. Aber Sie ahnen sicher schon, was "Freies Solmisieren" von einem verlangt:

Hat man ein "do" festgelegt ...

  • sollte man jede Tonsilbe direkt ansingen zu können
  • sollte man von jeder Tonsilbe zu jeder anderen Tonsilbe singen zu können

Bestimmt fällt es Ihnen nach zwei Wochen Kurs nicht schwer, spontan ein "do mi so" zu singen. Aber ein "do mi ti"?
Warum können wir das eine gut und das andere nicht so?
Das eine haben wir oft geübt, das andere zumindest hier im Kurs (noch) gar nicht. Falls Sie es selbst nicht ausprobiert hatten ...

Wieviele Tonsilben Kombinationen gibt es denn überhaupt? Das ist leicht. Das Kleine Einmaleins. 7 Tonstufen, also 7 x 7 = 49

Hier sehen Sie alle Kombinationen. Zur besseren Orientierung habe ich die do-do, re-re ... Felder nicht eingetragen.

Tatsächlich ist selbst diese Tabelle nur die Halbe Wahrheit. Nehmen wir das Feld "so mi" die Rufterz.
Stillschweigend gehen wir davon aus, dass mit so-mi eine Terz nach unten gesungen wird, der kurze Weg. Größere Intervalle als die Quinte (do-so) kommen auch hier im Kurs praktisch nicht vor. Aber es gäbe natürlich grundsätzlich auch die Möglichkeit, den langen Weg zu gehen, eine Sexte nach oben zu singen: so-mi'.
Wir könnten die Tabelle  verdoppeln, eine "kurzer Weg" und eine "langer Weg"-Version schaffen.

Leiermelodik

Singen wir eins zweimal Leiermelodik, so üben wir bestimmte Kombinationen ... so-la-so-mi beinhaltet schon drei Felder. Gewissenhaft, wie wir sind, probieren wir auch mi-la und la-mi, sechs Felder. 

Gelb bedeutet hierbei: Kaum geübt. Habe ich aber schonmal gesungen, ich erinnere mich. Ich weiß nicht mehr, wie es geht, aber wir hatten das gemacht, da bin ich sicher. Also ziemlich. 60%.

In meinen Eltern-Kind-Musikkursen wird auch einmal die Woche solmisiert. Ein bis höchstens zwei Minuten lang. Für die Kinder im Alter 0 bis 4 Jahre eine "Melodie-Bausteine" Übung.
Den Eltern sage ich immer: "Wiederholen Sie das mehrmals die Woche". Macht natürlich keiner, die Eltern kommen ja nicht in die Stunde, um solmisieren zu lernen.
Über dieses "habe ich schonmal gesungen"-Stadium kommen die Eltern nie hinaus. Ein bis zwei Minuten pro Woche bedeutet etwa 30 bis 60 Minuten im Jahr bei etwa 30 Terminen pro Jahr.
Was kann man lernen, bei 30-60 Minuten Übung im Jahr? Mir fällt nichts ein. Ihnen?
Nicht Seiltanzen, nicht Radfahren, nicht Lesen & Schreiben, nicht 10-Finger-Maschinenschreiben, nicht Tennis spielen, nicht Kochen ... und auch nicht solmisieren.

Zum Vergleich: Besuchen Sie ein Solmistionswochenendseminar, dann solmisieren Sie an zwei drei Tagen geschätzt fünf bis acht Stunden. An einem einzigen Wochenende.

Oder ich selbst.  Ich habe täglich etwa drei Gruppen, mit denen ich solmisiere, an fünf Tagen die Woche. Macht zwei bis sechs Minuten am Tag bzw. 15 bis 30 Minuten die Woche. Wichtig vor allem: "fünf Tage die Woche". Damit geht was.
Was die Eltern in meinen Kursen in einem Jahr schaffen, schaffe ich in zwei bis vier Wochen.

Danach sähe die Leiermelodik so aus:

Grün bedeutet: Habe ich ganz oft gesungen. Richtig oft. Kann ich auch alleine. Mitten in der Nacht, direkt aus dem Schlaf gerissen. Soll ich mal vormachen? Ich kann das!

Nach einem Wochenendseminar wären sicher nur wenige Felder weiß. Die meisten wären gelb. Einige wären grün, so dass Sie eine Basis hätten zum weitermachen.

Unsere "Tonsilben-Landkarte"

Immer, wenn wir solmisieren, werden die Kombinationen, die wir benutzen, verstärkt.
Im Gehirn werden alle Synapsen, die nötig sind so-mi zu singen, zu hören, zu erkennen ... benutzt. Aus dem "Hirnforschung" Video wissen wir, benutzen bedeutet ... lernen (Video ab Minute 6 etwa).
Die entsprechenden Synapsen werden "verstärkt". In meiner Tabelle: Zuerst wird aus weiß gelb, später, nach vielen Wiederholungen grün.
Je mehr Felder in der Tabelle grün sind, desto besser können wir solmisieren.
Was auch passiert: Synapsen, die nur einmal die Woche zwei Minuten benutzt werden ... werden kaum verstärkt. Über "gelb" kommen die nie hinaus.
Bei mir ist es ein Feld in einer Tabelle, Im Vortrag von Manfred Spitzer ist von "Spuren" und "Spuren legen" die Rede (ab Min. 30).
Wieviele Synapsen wohl an einem "so-mi" beteiligt sind? Es wird gesungen (15 verschiedene Tonhöhen), es wird gehört (15 ...), auf der Gitarre gespielt (15 ...), mit Handgesten gezeigt. Es müssen tausende sein.
Kein Problem bei einer Million Milliarden Synapsen im Kopf;-)
Das häufige Singen von "so-mi" führt zu einer "Manifestation" von so-mi im Kopf. Deswegen lasse ich Sie einfache Tonsilben-Kombinationen auf der Gitarre in allen Lagen singen und spielen. Damit Sie diese möglichst häufig wiederholen und diese Manifestationen auch tatsächlich passieren. Ein Bund rauf, ein Bund runter, fertig ... wäre sicher zu wenig.
Wir wollen von weiß nach grün, gelb reicht uns nicht.

Ein Beispiel

Ich solmisiere seit mehr als zwanzig Jahren. Bei mir ist jedes Feld in der Tabelle grün.
Aber: Alterationen mache ich nur selten. Viel Gelb. Mit Alterationen erweitert sich die Tabelle auf 12 x 12. Das Große Einmaleins.
Tonsilbe "tu". Liegt zwischen la und ti.
Ich kann la-tu-do und do-tu-la. Auch la-tu-ti-do und do-ti-tu-la. Grün.
Ansonsten kann ich "tu" praktisch von keiner anderen Tonsilbe (re mi fa so) aus ansingen. Nie geübt. Ich kann es nur von la, ti oder do aus.
Für re-tu mi-tu fa-tu und so-tu fehlen die entsprechenden "Gedächtnisspuren". Und für die Umkehrungen auch;-)
Damit ich das auch mal lerne, wird es vielleicht mal einen "Alterationen-Kurs" geben. Danach ist alles grün und ich kann's durch weitere Benutzung verfeinern;-)

Das Ziel

Unser Ziel ist damit klar, oder?
So viele Felder wie möglich von weiß in grün umwandeln. Sind alle Felder grün, können wir gut frei solmisieren.
Gibt es gelbe Felder, so haben wir an dieser Stelle ein Problem.

Was bedeutet das für unsere Übungen?
Zum einen, dass man möglichst schnell mit allen Tonsilben arbeitet. Deswegen haben wir bereits in der ersten Woche alle Tonsilben gesungen. Im Wochenendseminar hätten Sie alle am ersten Tag kennengelernt.
Die Solmisation wird nicht dadurch besser, dass Sie ein halbes Jahr nur Leiermelodik singen. Dann können Sie nur Leiermelodik.

Stufen erkennen?
Eine Stufe ist charakterisiert durch die Beziehung zu allen anderen Stufen. Je mehr Stufen wir sicher beherrschen, um so besser ist unser Stufen erkennen.
Beispiel Leiermelodik: Das so ist nur durch mi-so und so-la und deren Umkehrungen charakterisiert. Das reicht nicht, um das so zu erkennen.