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Kapitel 6, Lektion 7: Quintfallkadenz in Dur und Moll

Die "Mutter aller Kadenzen" darf hier natürlich nicht fehlen. Dur und Moll unterscheiden sich im Anfangsakkord: do für Dur und la für Moll. Und wie meist gibt es in Moll eine Durdominante mit der entsprechenden Alteration si.

Die Quinftallkadenz ist eine Besonderheit, da alle sieben Stufenakkorde enthalten sind und dazu die Anordnung (Grundtöne fallen in Quinten) einen kontinuierlichen Fluss erzeugt. So ist es tatsächlich schwierig, die Hauptfunktionen Tonika, Subdominante und Dominante zu empfinden. Man könnte auch sagen, dass die Quintfallkadenz die Funktionstheorie an ihre Grenzen bringt. Eine normale Kadenz ist wie ein kleines Flüßchen, das zwei ruhige Teiche miteinander verbindet. Tonika am Anfang, Bewegung, Tonika am Ende, fertig. Bei der Quintfallkadenz steht man quasi vor einem Wasserfall, ohne dass man Anfang und Ende richtig sehen kann.
Deshalb habe ich hier die Kadenz mittels der Stufentheorie (Wikipedia*) notiert. Die Stufen werden dabei mit römischen Ziffern angegeben. I ist der jeweilige Grundton. Zusätzliche Akkordinfos (Dur/Moll, Septime) werden angehängt, analog zu den Akkordbezeichnungen in der Notation.

   Ij7IIm7IIIm7IVj7V7VIm7VIIm7b5Ij7
 latidoremifasolatido
 Ij7IIm7b5IIIj7IVm7V7VIj7VII7Im7  

Die Akkordtypen bleiben natürlich in beiden Tonleitern gleich. Auf fa entsteht ein Großer Durseptakkord, j7 bedeutet "mit großer Septime" (von major 7 aus dem Englischen. maj7 ist auch gebräuchlich). Auf so entsteht ein Dominantseptakkord, auf ti ein verminderter Akkord (m7b5).
Nur bei mi ändert sich der Akkordtyp, weil in Moll auf mi mit der Alteration si ein Dominantseptakkord geschichtet wird. Dur-Akkord mit kleiner Septime.
Wegen des anderen Anfangstones ändert sich aber die Stufenbezifferung. mi ist in Dur dritte Stufe, in Moll fünfte usw.

Zum YouTube-Video "6.07 Quintfallkadenz Dur mit do"

Zum YouTube-Video "6.07 Quintfallkadenz Dur"

Zum YouTube-Video "6.07 Quintfallkadenz Moll mit la"

Zum YouTube-Video "6.07 Quintfallkadenz Moll"


* Es gibt nur zwei Theorien um Harmoniefolgen zu beschreiben, die Funktions- und die Stufentheorie. Für manches ist die eine, für manches die andere besser geeignet.
Die Stufentheorie stellt den Zusammenhang zur Tonleiter (Stufen) in den Vordergrund, bei der Funktionstheorie ist der Höreindruck (die Funktion) vorrangig.

Bonus: Übung für Quarten und Terzen

 

Während des Kurses ist mir diese Übung eingefallen. Mit do geht es los ...

  • Quarte rauf, Terz runter ... wiederholen mit nächster Tonsilbe.

Abwärts genauso, do ...

  • Quarte runter, Terz rauf ... wiederholen mit nächster Tonsilbe.

Warum diese Übung? 

Erinnern Sie sich an die Tabelle mit den Tonsilbenverbindungen (Kapitel 3 - Lektion 2)? Je mehr Kästchen grün (= gut geübt) sind, desto besser sind die Tonsilben vernetzt und gefestigt.

In der Solmisation neigt man dazu, Linien zu singen bzw. die immergleichen Wendungen. Ich erlebe das täglich durch meine starke Beschränkung auf Dur, Kinder- und Volkslieder.

Und schauen Sie mal, was mit unserem Kästchenbild passiert ... da wird ganz viel grün (vorausgesetzt man übt;-).
Übrig bleiben die Schritte do-re re-do usw. die in der Übung nicht vorkommen.
Mein heißer Tipp als Tonsilbenübung. Nichts für Anfänger, zugegeben, aber sehr effektiv.
Auch auf der Gitarre eine Herausforderung, aber Übung macht bekanntlich den Meister;-)
Jedes Kästchen, welches Sie sehr oft singen, können Sie auch besser erkennen, wenn Sie es hören.

Tipp zum Üben, bis man die Abfolge verinnerlicht hat:

  • Jeden Balken mehrmals wiederholen, do-fa do-fa do-fa, re-so re-so re-so.
    Auch versetzt ... do fa-re fa-re fa-re, so-mi so-mi so-mi
  • Rhythmisch kurz-lang  do-faaa, re-sooo, mi-laaa
    versetzt: do fa-reee, so-miiii
    Bei den langen Tönen hat man die Gelegenheit zu prüfen, ob man noch richtig ist. Im Kopf zum do singen.
    do-faaaa (fa mi re do), re-soooo (so do) ... immerhin geht es bei der Solmisation um die innere Tonvorstellung.
    Wenn Sie die Übung auf der Gitarre spielen ist das nicht nötig.

  • Kann man die Übung ein bisschen ist man versucht, sie flotter durchzusingen. Die Notation in Achteln suggeriert auch, dass die Übung eher flott ist. Ich rate zu einem Tempo, in dem man bei jeder Tonsilbe spüren kann, ob sie auch korrekt ist. Bei mir ist das eher langsam. Stellen Sie sich vor, die Übung wäre in Halben notiert.

  • Apropos Gitarre: Sie singen die Übung, spielen aber nur den ersten Ton des Balkens auf der Gitarre mit: do re mi fa so ...
    Oder nur den zweiten, quasi als Kontrolle.

  • Wenn's noch nicht so klappt: Sie spielen sich einen Balken auf der Gitarre vor, singen ihn nach. 
    Wenn's klappt: Sie singen den Balken vor, spielen ihn zur Kontrolle nach.

Zugegeben eine sehr technische Übung, verglichen mit dem Mr. Sandman Intro von gestern. Aber es ist unsere erste rein technische Übung. Und sie bringt so viel.
Schritte übt man beim Solmisieren von Liedern automatisch. Es sind die Sprünge, die Probleme bereiten. Und gerade Terzen und Quarten sind häufige Sprünge.

Würden wir die Übung umdrehen, do-fa abwärts, re-so abwärts ... dann übten wir Quinte runter (do-fa) und Sexte rauf (fa-re). So weit bin selbst ich noch nicht;-)
Sie sehen, Material für einen nächsten Ferienkurs gibt es bereits ...

Was wäre die Übung für die noch weißen Felder?
Im Prinzip Tonleiter rauf/runter: do re mi fa so la ti do, do ti la so fa mi re do.
Besser etwas gemischt: do re mi re mi fa mi fa so ... do ti la ti la so la so mi

Rückblick

Ursprünglich lief die Kurs über sechs Wochen. Die Kapiteleinteilung nimmt den Zeitdruck raus. Ein Rückblick ...

Level 1 - Singen mit Tonsilben

So geht es sicher für alle los mit der Solmisation. Man singt mit Tonsilben. Einer singt vor, alle singen nach.
Das passiert in meinen Eltern-Kind-Gruppen. Ich singe vor, die Mütter (& Kinder) singen nach und eine Woche später machen wir das wieder.
Hierzu ist wenig Übung erforderlich, man muss eigentlich nur aufmerksam zuhören.
Das ist solmisieren der einfachsten Art.

Level 2 - Singen mit Handgesten

Der nächste Level: Die Handgesten kommen dazu. In meinen Eltern-Kind-Kursen merke ich, dass das schon schwieriger ist. Die Eltern üben das normalerweise nicht Zuhause.
Hat man eins zwei Stunden Pause (Ferien), hat man die Handgesten wieder vergessen.

Level 3 - Erkennen von Bausteinen

Mit etwas mehr Übung kann man Bausteine erkennen. Das erleben auch manche Eltern in meinen Eltern-Kind-Gruppen, die sehr regelmäßig teilnehmen.
Übt man nur einmal die Woche, ist das ein Level, den man erreichen kann.
Bausteine singen wir etwa ein dutzend Mal. Daher bleiben Bausteine (do-mi-so, mi-re-do, la-ti-do) mit der Zeit hängen.
Mit dem Zeitaufwand Einmal-die-Woche kommt man als Erwachsener aber auch kaum über dieses Level hinaus. Das Ende der Fahnenstange. 
Zum Vergleich: Bei täglicher Übung erkennt man bereits nach wenigen Tagen die geübten Bausteine und vielleicht sogar schon erste Stufen.
Das ist auch der Level, bis zu dem ich in der Musikalischen Früherziehung gehe. Da die Kinder schneller lernen als Erwachsene, tun die Kinder sich hier leichter.

Bausteine singen ist eine ideale Gesangsübung für alle, die wenig singen oder ihre Stimme wieder entdecken wollen. Zwei bis sechs Töne, mehr ist es in der Regel nicht. Statt langer Texte ein paar wenige Tonsilben ... do mi so mi do. Deswegen ist Bausteine singen auch in der Elementarpädagogik so wichtig. Die Vorstufe zum Singen ganzer Lieder.

Level 4 - Stufen erkennen

Hier trennt sich die Spreu vom Weizen und wir sind zum Kern der Solmisation vorgedrungen. Alles vorherige war Trainingsphase, jetzt kommen wir endlich in die Erkenntnisphase, in den grünen Bereich.
In diesem Level ist Übern mehrmals die Woche, quasi täglich wünschenswert, zumindest bis die Basisfertigkeit steht. Einmal Üben die Woche? Nein, reicht nicht. Das merke ich bei meinen Eltern-Kind-Gruppen und so war es auch beim Chorworkshop. Diejenigen, die lediglich unsere Trainingsstunden mitgemacht hatten, konnten keine Stufen erkennen, nur Bausteine.
Das Stufen erkennen ist eine automatische Folge von "viel solmisieren". Man kann es gezielt üben (Basiskurs Stufen erkennen) aber das Empfinden der Stufen stellt sich auch ein, wenn man einfach sehr viel solmisiert. Wenn man hunderte oder tausende Male das mi im Zusammenhang mit anderen Tonsilben gesungen hat, erkennt man es irgendwann.
Ich denke da gerne an Guido von Arezzo. Seine Novizen haben sicher täglich ihre Singstunde gehabt. Nach einigen Tagen erkennt man erste Bausteine, dann folgen die Stufen und dann folgt der letzte Level ... Freies Solmisieren.

Level 5 - Freies Solmisieren

Freies Solmisieren bedeutet: Ohne Vorsänger, ohne Wiederholen geübter Bausteine. Mit Freiem Solmisieren ist das Ziel der Solmisation erreicht.
Wenn man einzelne Tonstufen erkennen kann, kann man diese auch bald gezielt ansingen. Das eine geht mit dem anderen Hand in Hand. Ab hier kann man alleine weiterarbeiten, ohne Vorsänger, ohne Playback. Es ist wie Fahrradfahren ohne Stützräder. Eigentlich beginnt erst ab jetzt die abenteuerliche Reise Solmisation.
Ab hier kann man sagen: Ich kann solmisieren.

Auch hier könnte man sicher verschiedene Level unterscheiden. Dur/Moll, mit/ohne Alterationen (und welche).
Je nachdem, was man so solmisiert, entwickelt man die entsprechenden Fähigkeiten.

Level 6 - Vom Blatt singen

Wenn man frei Solmisieren kann, ist es nicht mehr allzu schwer, Vom-Blatt-zu-singen zu lernen. Man muss nur noch lernen, die Noten in Tonsilben zu übersetzen (Basiskurs: Noten & Solmisation). Ttrotzdem erfordert das Vom-Blatt-Singen viel und regelmäßige Übung. Ich rate dazu nur, wenn man es auch öfters braucht. Und natürlich würde ich jedem Sänger, Chorsänger raten, es zu lernen;-)
In den Fragen zur Solmisation habe ich öfters erwähnt, dass es hilfreich ist, sich Solmisation als Musikinstrument vorzustellen. Für diesen Level passt das wie die Faust auf's Auge.

Man kann auch Vom-Blatt-Singen und Freies-Solmisieren miteinander kombinieren und sich zusammen erarbeiten. Das haben Sie auch hier im Kurs erlebt.
Beides sind aber getrennte Fähigkeiten, wobei Freies Solmisieren die Voraussetzung für Vom-Blatt-Singen ist.
Vom-Blatt-Singen, ohne frei solmisieren zu können ... kann das gehen? Ich denke nicht.

Wie geht es weiter?

Wenn Sie diesen Ferienkurs komplett durchlaufen haben (das darf auch erst in zwei Monaten sein), geht es zunächst darum, das neu erworbene Können auf feste Füße zu stellen.
Ein große Hilfe dabei können die Übungen der letzen zwei Wochen sein. Chor-Einsingübungen und Kadenzen singen. Nicht zu vergessen die technische(n) Übung(en) auf dieser Seite.

Dazu empfehle ich Vom-Blatt-singen zu üben. Als Einstieg Kinder- und Schlaflieder. Dann Weihnachts- und Volkslieder. Das Liederbuch der Grundschule ist auch ein guter Tipp. Fühlt man sich damit wohl würde ich mich an die Alterationen wagen. Erste Erfahrungen haben wir im Kurs ja bereits im Moll und bei den Kadenzen gesammelt.
Auch das Kirchengesangbuch ist empfehlenswert, wegen der meist einfachen Rhythmen. Hierbei ist die Schwierigkeit, dass man auf die Kirchentonarten trifft, die sich für uns etwas ungewohnt anfühlen. Dafür sind Sie mit dem Kirchengesangbuch Guido von Arezzo aber ganz nah. Back to the roots.

Hier auf der Website werde ich den Ferienkurs irgendwann nachbereiten und wahrscheinlich in mehrere Fortgeschrittenenkurse aufteilen, ergänzen. Vor allem auch ohne Gitarre.

  • Chor-Einsingübungen
  • Kadenzen singen
  • do/la in einem Playback finden

Wenn Sie Fragen, Kritik, Anregungen oder einfach ein Feedback geben wollen, schicken Sie mir eine mail

Wie immer, wenn ich hier an der Website arbeite, habe auch ich viel gelernt. Auch ich solmisiere dann mehr und vor allem anders, als ich das in meinem beruflichen Alltag tue;-)

Und damit verabschiede ich mich und wünsche weiterhin Viel Spaß und Erfolg mit der Solmisation ... so la la 

Jens Langer, August 2018


PS: Die Playbacks in diesem Kurs?
Sind erstellt mit dem Programm "Band in a box" von PG Music. Erhältlich über den deutschen Vertrieb M3C in Berlin ... Klick