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Lektion 1: Was sind Alterationen?

Alterationen sind "veränderte" Tonstufen.

Die sieben Tonstufen do re mi fa so la ti der Solmisation entsprechen im übertragenen Sinne den "weißen" Tasten am Klavier. (Übertragen deshalb, weil das nur für C-Dur stimmt. Tatsächlich kann ja jeder Ton do sein und somit weiß oder schwarz am Klavier.) 
Ich verwende hier auf der Website aber manchmal gerne den Begriff "weiße" Tonsilben, um sie von den "schwarzen", den Alterationen abzugrenzen. Mit "weiß" sind immer die Tonsilben do re mi fa so la und ti gemeint. Innerhalb der Oktave gibt es aber noch fünf weitere Töne, die sog. Halbtöne (in C-Dur eben die schwarzen Tasten), die wir bisher nicht mit der Solmisation erfassen konnten. Das ändern wir jetzt.

Leider gibt es paar Probleme. Einfach wäre es ja so: Für die fünf Halbtöne gibt es fünf weitere Tonsilben und fünf weitere Handzeichen, fertig ist die Laube. Sie vermuten richtig: So leicht und schön wird es nicht (s. Abb. rechts).

Erstes Problem: Die Namen. Es ist leider wie in der Notenschrift: Die Halbtöne haben keinen eigenen Namen, sondern werden nach ihren Nachbarn benannt. Da jeder Halbton zwei Nachbarn hat, hat er zwei mögliche Namen. Dieser richtet sich nach dem musikalischen Kontext, vor allem der Tonart.
So heißt die Tonsilbe zwischen fa und so entweder fi (= erhöhtes fa) oder su (erniedrigtes so).
Das ist gerade für das Erkennen und die Symbolbildung nicht hilfreich und dem Umstand geschuldet, dass die Solmisation auch für die Notenschrift funktionieren muss.

Es gibt die folgende wichtige Namensregel:

  • Bei erhöhten Alterationen ändert man den Vokal der Tonsilbe immer zu "i".
    Im Notenbild entspricht das dem Versetzungszeichen "Kreuz".
     
  • bei erniedrigten ändert man den Vokal immer zu "u".
    Im Notenbild ... "Be".

Knifflig wird es beim Auflösungszeichen. Denn hier ergibt sich erst aus dem tonalen Zusammenhang, ob der Ton erhöht oder erniedrigt wird. Hierbei muss man die Versetzungszeichen im Takt und/oder die Tonartvorzeichnung beachten.

  • Die Auflösung eines Kreuzes (Erhöhung) erniedrigt einen Ton. Unter 
  • Die Auflösung eines Bes (Erniedrigung) erhöht einen Ton.

Und hier sind alle fünf möglichen Alterationen mit ihren zehn Tonsilben:

di = ru, zwischen do und re

ri = mu, zwischen re und mi

fi = su, zwischen fa und so

si = lu, zwischen so und la

li = tu, zwischen la und ti

Im Bild rechts sehen Sie, dass es zwischen ti-do und mi-fa keinen Halbton gibt. ti-do und mi-fa sind bereits Halbtonschritte und verantwortlich dafür, dass eine diatonische Struktur entsteht, die überhaupt erst ermöglicht, dass Tonalität entsteht und Solmisation funktionieren kann (vgl. Notation Lektion 2).

Das zweite Problem ist etwas schwerer nachvollziehbar. Strenggenommen ist die Tonhöhe der Päärchen leicht unterschiedlich.
fi und su wären auf dem Klavier zwar dieselbe Taste, auf der Geige kann das fi aber einen Ticken höher als das su sein. Hier geht es um Stimmung und Interpretation. Dieses Phänomen betrifft nur Instrumente, welche die Tonhöhe im Kleinen variieren können: Blas- und Streichinstrumente. Auch die menschliche Stimme kann dies. Microstimmung.
Strenggenommen können fi und su also unterschiedliche Töne sein, die man auch nach Gehör unterscheiden könnte. Aber ehrlich gesagt: Das kann nicht einmal jeder Musiker, sondern nur, wer das fein geschulte Gehör eines Profigeigers hat. Ich habe mich mit verschiedenen (aber wenigen) Profimusikern unterhalten. Keiner sieht die Notwendigkeit, fi und su nach Gehör unterscheiden zu können. Man erkennt die Alteration und spielt sie so, wie Instrument und Interpretation es zulassen. Es ist ein sehr exklusives Problem.
In der Praxis (z.B. Popradio) haben wir es heutzutage mit der wohltemperierten Stimmung zu tun, in der fi und su (und alle anderen Alterationspäärchen) gleich hoch sind.

Drittes Problem, die Handzeichen: Als Guido von Arezzo die Solmisation entwickelte, waren die Alterationen noch kein Thema. Auch wurden die heute bekannten Handgesten erst im 19 Jhd. hinzugefügt. Lange Rede kurzer Sinn. Es gibt keine einheitlichen Handgesten für alle Alterationen, jede Methode hatte so ihre eigenen (Kodaly, Tonika-Do, Solfa u.a.). Praktisch immer sind die Handgesten Varianten der zugehörigen Nachbarn.
Es gibt auf YouTube ein Video von Axel Schullz, in dem er zehn Handgesten vorstellt. An diese würde ich mich halten.

Viertes Problem, die Notation: Hier machen die zwei Namen sogar Sinn, denn in der Notation gibt es zwei Versetzungszeichen. Das Kreuz zum Erhöhen eines Stammtones und das Be zum Erniedrigen. Und dann noch das Auflösungszeichen. Im Kurs Notation und Alteration werden uns die zehn Namen deshalb alle begegnen, da führt kein Weg vorbei.

Fazit: Für die fünf "Halbsilben" haben wir leider zehn Namen und zehn Handgesten.
Ich mache hier einen Kompromiss, den ein "Hardcore"-Solmisierer nicht unbedingt gut finden wird. Ich verwende gerade beim "Stufen erkennen" pro Alteration nur ein Handzeichen und eine Tonsilbe.

Die korrekte Alternative wäre, alle Übungen dieses Kurses auch für den Alternativnamen zu erstellen. Die müssten sie dann auch alle durcharbeiten. Wollen Sie das? Ich denke nicht;-)

Beim Thema Notation werden uns die zehn Namen begegnen. Den Spaß mit la-li-lu gönnen wir uns dort.